Autohauskunden sind heute nicht mehr auf der Suche nach einem Fahrzeug, sondern erwarten individuell für sie zugeschnittene Mobilitätslösungen, die weit über das Automobil hinausgehen. Möglich werden solche maßgeschneiderten Angebote nur durch den engen Schulterschluss von Hersteller, Bank und Handelspartner.
Wie auch in anderen Lebensbereichen sind Kunden heute bei der Fahrzeuganschaffung und der Finanzierung ihrer Mobilität nicht mehr an Standardprodukten „von der Stange“ interessiert. Sie erwarten tailormade Solutions, also genau auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmte Angebote und Services. Neben dem eigentlichen Finanzierungs- bzw. Leasingprodukt kommt dabei auch die komplette Dienstleistungspalette zum Tragen. Hierzu gehören etwa Wartungs- und Reparaturbausteine, Versicherungslösungen, Reifenservices, Tankkarten, Schadenservice, Ersatzfahrzeugstellung, Kostenreporting für gewerbliche Kunden u.v.m. Seit Einführung der ersten Dienstleistungspakete vor über zehn Jahren hat sich das Geschäft mit zusätzlichen Versicherungs- und Serviceleistungen zu einem nachhaltigen Wachstumssegment für die Herstellerbanken entwickelt. Allein im Geschäftsjahr 2016 schlossen die Kunden der herstellerverbundenen Finanztöchter über 2,56 Millionen zusätzliche Mobilitätsdienstleistungen ab. Damit verzeichnen die Finanztöchter der Automobilkonzerne durchschnittlich 1,6 zusätzliche Dienstleistungen pro Finanzierungs- oder Leasingvertrag und entwickeln sich kontinuierlich weiter von reinen Finanz- hin zu umfassenden Mobilitätsdienstleistern.
Großes Potenzial für zukunftsweisende Mobilitätsdienstleistungen
Der Wunsch gewerblicher sowie privater Kunden, alle Leistungen rund um das eigene Fahrzeug bzw. rund um die individuelle Mobilität unkompliziert aus einer Hand zu erhalten, ist keineswegs neu. Hierin liegt seit Jahren eine große Stärke der herstellerverbundenen Finanzdienstleister, denn sie bieten die „Hardware Automobil“ direkt mit der begleitenden „Software“, also Finanzdienstleistungen, Versicherungs- und Servicemodulen an. Und dieses Geschäftsfeld bietet unverändert sehr großes Wachstumspotenzial. Besonders interessant ist dabei die Frage, wie genau zukünftige Services als integrierter Bestandteil eines Leasing- beziehungsweise Finanzierungsvertrags aussehen könnten. Eine Befragung von mehr als 1 200 Autokäufern hat jüngst gezeigt, wo die Reise hingehen könnte. Drei von fünf Kunden könnten sich beispielsweise die Nutzung eines Urlaubsfahrzeugs als integrierte Dienstleistung vorstellen. Jeder zweite Befragte könnte sich vorstellen, auch die Taxinutzung oder den öffentlichen Personennahverkehr in die monatliche Rate einfließen zu lassen. Auch andere Mobilitätsangebote, beispielsweise Flugzeug-, Bahn- oder Carsharing-Nutzung, sind für viele Verbraucher als Bestandteil eines Paketangebots der Herstellerbanken vorstellbar.
Zudem ist das Interesse an integrierten App-Funktionen sehr groß: 58 Prozent wünschen sich eine App-basierte Parkplatzreservierung insbesondere in Innenstadtlagen als integrierten Service. Mehr als jeder Zweite kann sich vorstellen, per App einzelne Funktionalitäten oder Features und Zusatzleistungen rund ums Auto punktuell freizuschalten. Mögliche Ansatzpunkte reichen von zusätzlichen Assistenzsystemen über zuschaltbare Motorleistung auf langen Fahrten bis hin zum optionalen Schiebedach-Feature für die Sommermonate. Integrierte Bezahldienste, etwa für Parken oder Tanken, sind ebenfalls für mehr als die Hälfte der Autokäufer als Vertragsbestandteil wünschenswert. Dies ist zwar nur ein kleiner Ausschnitt aus dem, was in Zukunft möglich sein wird, verdeutlicht jedoch, dass hier noch große Potenziale schlummern und die Herstellerbanken auf ihrem Entwicklungspfad von reinen Finanzdienstleistern hin zu umfassenden Mobilitätsdienstleistern noch lange nicht am Ziel angekommen sind.
Chancen der Digitalisierung nutzen
Unmittelbar mit dem Angebot von individuellen und neuen Dienstleistungen verbunden ist auch die Etablierung von nahtlosen digitalen Prozessen für die Kunden und die enge Verknüpfung von Online- und Offlineangeboten. Auch im Automobilvertrieb gewinnt die Digitalisierung immer weiter an Bedeutung und hat signifikante Auswirkungen auf die Interaktionsmöglichkeiten zwischen Kunden, Automobilherstellern und ihren Finanzgesellschaften, Versicherungen, Handelspartnern usw. Viele Kunden sind heute „always on“ und recherchieren bei der Wahl eines neuen Fahrzeugs primär online. Konditioniert durch Amazon und Co, erwarten sie auch das komplette Angebotsportfolio inklusive Finanzdienstleistungen online – und dies einfach, transparent und vor allem reibungslos bis zum Verkaufsabschluss. Mehr als jeder zweite Kunde wäre etwa dazu bereit, sein neues Fahrzeug direkt über die Herstellerwebseite zu bestellen, zwei von fünf Kunden würden darüber hinaus auch die passende Finanzdienstleistung online abschließen. Das darin steckende Potenzial zur Erschließung neuer Kunden- und auch Produktgruppen ist enorm.
Die herstellerverbundenen Finanzdienstleister wollen die Chancen der Digitalisierung verstärkt nutzen – gemeinsam mit Handel und Herstellern. Erste wichtige Schritte der BDA-Institute sind getan und entsprechende Projekte im Markt etabliert. Diese reichen vom vollständig digitalen Vertragsabschluss über Online-Vorabkreditzusagen und der Nutzung neuer Vertriebsplätze wie Amazon bis hin zum Angebot einzelner hinzubuchbarer Dienstleistungen im Netz. Auch eigene Gebrauchtwagen-Börsen oder Ankaufsplattformen gehören hierzu und ermöglichen zusätzliche Leads, von denen der Handel profitiert. Sämtliche neuen Angebote und ergänzenden Online-Vertriebsaktivitäten zeichnen sich dadurch aus, dass sie im engen Schulterschluss mit den Handelspartnern umgesetzt werden und nicht an diesen vorbei. Auf weitere digitale Projekte aus dem Kreis der BDA-Mitgliedsinstitute darf man gespannt sein.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Heinz-Peter Renkel
2 Banken der Automobilwirtschaft (BDA) (2016). Automobilbanken-Studie 2016. URL: https://www.autobanken.de/publikationen