Auf dem 6. afb Market and Innovation Event beleuchten eine Reihe von Experten das Thema Customer Onboarding aus verschiedenen Perspektiven. Ein ausgewiesener Experte für regulatorische Fragen beim Onboarding-Prozess ist Kris Grgurevic, Vorstand der niiio finance group AG.
In seiner Keynote auf dem 6. afb Market and Innovation Event erklärt er, wieso d
Im folgenden Interview geht es auch um die Frage, warum und wie Customer Onboarding emotionalisiert wird.Kris Grgurevic, Vorstand der niiio finance group AG.
Sie sind Vorstand der niiio finance group AG, einem Lösungspartner für Banken und Finanzdienstleister. Was bieten bzw. bewirken Ihre Lösungen?
Wir sind der Digitalisierungspartner für das Wertpapiergeschäft. In dieser Rolle helfen wir Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle entsprechend zu transformieren oder gänzlich neu zu erfinden. Dabei setzen wir unsere verschiedenen cloudbasierten Plattformlösungen ein, um sowohl die Kundenerfahrung als auch die Kostenoptimierung in diesen Geschäftsmodellen messbar zu verbessern.
Als solche bieten Sie ja individuelle (Software-)Lösungen. Haben Sie es hier namentlich bereits mit „Digital Customer Onboarding“-Projekten zu tun? Und wenn ja, seit wann?
Grundsätzlich bieten wir eine standardisierte Plattformlösung für Vermögensberater und Vermögensverwalter an, sodass unsere Kunden einen maximalen Mehrwert durch entsprechende Erweiterungen der Funktionalitäten umgehend erfahren. Stellen Sie sich den Amazon-Marktplatz vor, der über 100-mal täglich optimiert und aktualisiert wird, ohne dass es der User mitbekommt. Technologisch, also im Hintergrund, gilt das auch für unsere White-Label-Onboarding-Strecken, die wir bei drei Kunden seit 2018 im Einsatz haben und für weitere 20 Kunden in den kommenden Monaten planen.
Optisch, also nach vorne hin, individualisieren wir diese Onboarding-Strecken je nach Kundenwunsch. Was ist der Vorteil dabei? Einerseits muss man sich als B2C-Anbieter gegenüber seinem Wettbewerb absetzen, daher ist eine Individualisierung wichtig. Gerade bei der immer stärker werdenden Emotionalisierung von Webseiten und Inhalten im Digitalgeschäft.
Andererseits will man als Anbieter dabei aber gleichzeitig auch regulatorisch fehlerfreie Prozesse im Einsatz haben. Dies geht wiederum nur mit entsprechenden Standards im Hintergrund. Und hier liegt unsere Stärke. Mit unseren skalierbaren Plattformlösungen sind wir mühelos in der Lage, das Spannungsfeld zwischen Regulatorik und Innovation im Hinblick auf das Wertpapiergeschäftsmodell unserer Kunden zu meistern.
Ihr Vortrag beim afb Market and Innovation Event handelt ja von Customer-Onboarding-Projekten in der Praxis. Gibt es – trotz aller Individualität – typische Merkmale, die solche Projekte kennzeichnen, eine Art gemeinsamen Nenner? Sind sie besonders schwierig? Dauern sie lang? Gibt es typische Hindernisse?
Eine sehr gute Frage, denn Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Im digitalen Onboarding-Prozess hat man einen wichtigen Mehrwert in Richtung Endkundengeschäft gefunden. Diese Strecken erleichtern einem als Vermögensmanager die bereits stark regulierten Endkundenprozesse – gerade mit der Self-Service-Philosophie, dass jeder Endkunde sich eigentlich eigenständig, aber rechtssicher für alle Seiten, „onboardet“.
Aufgrund dieses Trends beobachten wir, dass immer mehr Anbieter für derartige, ich nenne sie mal, „Digitalstrecken“ im Markt erscheinen. Das Gute daran ist, dass man als Vermögensmanager nun die Auswahl hat. Das Schlechte ist, dass man noch genauer dort „reinschauen“ muss. Warum? Oftmals schauen wir, eigentlich aus reinem Fachinteresse heraus, wie so der eine oder andere Anbieter von Digitalstrecken bei Kunden integriert, da gerade bei einem Endkunden-Onboarding-Prozess lückenlose, regulatorisch einwandfreie Arbeitsschritte durchlaufen werden müssen.
Oftmals sehen wir aber ein „Zusammenstöpseln“ von bestehenden IT-Systemen der Vermögensmanager und diesen neuen Digitalstrecken, die nicht selten noch mehr Aufwand, Komplexität und nicht selten dann auch mehr Risiko und Kosten verursachen. Daher bieten wir stets integrierte, regulatorisch sichere Onboarding-Lösungen an, die keine derartigen Auftragsprogrammierungen mit „in der Luft hängenden“ Teilprozessen darstellen, sondern integrale Bestandteile unserer Vermögensberatungs- und Vermögensverwaltungsplattform sind.
Wie sehen Sie den Zusammenhang zwischen B2C und B2B? Spricht man über Customer-Onboarding-Projekte, so wird aus dem B2C-Lager die Dringlichkeit betont bzw. sind z. B. Direktbanken schon sehr weit. Dagegen hört man aus dem B2B-Lager immer noch häufig, dass es bezüglich Neugeschäft besser ist, sich auf die „Kaffee & Kekse“-Methode zu besinnen, anstatt an einem Touchpoint (Webauftritt) zu optimieren, an dem kaum Einfluss auf das B2B-Geschäft ausgeübt wird …
Ich denke, dass Sie mit dieser Frage den wesentlichen Aspekt der digitalen Transformation des Wertpapiergeschäfts sowie auch anderer Geschäftsmodelle ansprechen: Wie viel „digital“ darf oder muss es denn sein? In verschiedenen Vorträgen habe ich bereits betont, dass wir die Herausforderung darin sehen, dass Unternehmen sich mit dem „Hybridansatz“ im eigenen Geschäftsmodell auseinandersetzen müssen. Warum? Wir sehen die „traditionell manuellen Prozesse“ im Wertpapiergeschäft immer weiter und schneller schwinden.
Trotzdem wird nicht jedes Unternehmen plötzlich komplett digital sein oder werden wollen. Auf der anderen Seite sehen wir die sogenannten Challenger, die komplett auf digitale Auftritte setzen. Daher wird es immer diese beiden Lager geben – aber aus unserer Sicht nur mit geringen Marktanteilen. Der größte Teil des Markts wird sich aus unserer Sicht mit dem Hybridansatz beschäftigen und versuchen, ihn in die eigenen, bestehenden Geschäftsmodelle zu integrieren. Hierbei werden kleinere sowie größere Transformationen stattfinden. Derzeit arbeiten wir mit unseren Kunden an digitalen Transformationen, die von einer App bis zu einer Private-Banking-as-a-Service-Organisationsstruktur reichen. Das ist auch für uns sehr spannend.
Einer Ihrer Schwerpunkte sind Robo-Advisors. Das Stichwort „Robo“ löste schon immer ambivalente Gefühle aus: Faszination und Technikbegeisterung einerseits stehen Angst und Unbehagen gegenüber. Wie sehen Sie den Einfluss derartiger Elemente auf die Customer Journey bzw. Customer Onboarding?
Auch dieses Buzzword sorgt in unseren Gesprächen mit Interessenten und Kunden stets für Verwirrung bzw. es bestehen dazu divergierende Vorstellungen.
Im Kern ist es doch so: Der „Robo“ in einem sogenannten Advisor-Produkt übernimmt unterschiedliche Teile der Prozesse, jedoch immer mit dem Ziel, sich wiederholende, standardisierte Abfolgen oder auch komplexere Berechnungen oder Analysen automatisch durchzuführen. Mehr nicht. Das heißt, dass der Robo zum einen eine Effizienzsteigerung sowohl für den Anbieter als auch den Kunden hervorbringt. Zum anderen können anhand von automatischen, „robo-isierten“ Strecken nun aber auch kundenindividuelle Ansprachen, Dienstleistungen und Preise ermöglicht werden.
Diese Form von „Mass Customization“ im Finanzdienstleistungsbereich ist im nächsten Schritt auch wieder ein Datenparadies für KI-gestützte Analysen und Vorhersagen. Wir kennen das schon lange aus dem E-Commerce, wenn die unterschiedlichen Konsumplattformen dem Kunden kontinuierlich passendere „Next-best-products“ anbieten. Dies ist aber kein Trend mehr im Vermögensmanagement, sondern ein aktuelles Thema, mit dem auch wir uns intensiv – insbesondere mit Technologiepartnern gemeinsam – auseinandersetzen. Das wird die Customer Journeys künftig dominieren.
Was würden Sie sich wünschen, dass die Zuhörer aus Ihrer Keynote am 28. Mai 2019 als zentrale Botschaft mitnehmen?
Meine wesentliche Botschaft ist die, dass man einen digitalen Onboarding-Prozess nicht auf ein „IT-System“ reduziert, denn es ist ein „nach draußen gestellter Weg nach drinnen“, sodass eine Vorstellung vom Ergebnis und der Vermarktungsweise vorherrschen sollte.
Je genauer man Optik und Funktionalität vorgibt – wir sorgen für die regulatorische Compliance –, desto besser „passt“ der neue Prozess zu einem selbst. Es kann die „Kroko-Tasche“ im Schaufenster sein, um das bestehende Produktgeschäft anzukurbeln. Es kann aber auch ein radikal neuer Weg des Marktzugangs und der Marktbearbeitung sein, die es dann auch ins Tagesgeschäft und in die Unternehmensstrategien einzubeziehen gilt.
Eine Onboarding-Strecke ist im besten Fall schnell umgesetzt und man hat einen operativ aufwendigen Standardprozess automatisiert. Wichtig ist dabei aber auch, dass man sich einen erfahrenen Berater ins Boot holt, der das schon einmal gemacht hat, die Fallstricke hierbei kennt und mit einem Standard kommt.
Über den Vortrag hinaus sind Sie am 28. Mai in Kooperation mit der Universität Köln auch bei einem der sechs Speed Innovation Markets vertreten. Hier geht es um eine äußerst spannende Untersuchung. Stichwort „Banken und Gamification“ – können Sie kurz sagen, um was es sich hier dreht?
Wir kennen das doch alle: langweilige, klobige Prozesse ohne erkennbaren Mehrwert für einen selbst. So sehen manche Onboarding-Strecken trotz aller Digitalität da draußen öfters auch mal aus: wie ein Verwaltungsakt.
Zudem arbeiten sich Marketingagenturen durch die sperrigen, regulatorischen Textbausteine qualvoll durch, um eine winzige Prise an Emotionalisierung dieser Onboarding-Strecken herzustellen. Auch das ist limitiert, denn der Gesetzesgeber erwartet an bestimmten Stellen stellenweise Zitate aus dem Gesetzestext. Und was macht man mit dem damit unerfahrenen Interessenten oder Kunden? Wie bringt man ihn „auf Ballhöhe“ mit den erfahrenen Anlegern da draußen, ohne ihn durch weitere Gesetzestexte oder Onlinekurse zu quälen? Hier haben wir die Emotionalisierung von Onboarding-Strecken vor über drei Jahren als einen Trend entdeckt.
Warum sollten Kundenerfahrungen während digitaler Prozesse nicht spielerisch einfach sein und gleichzeitig Spaß machen? Warum sollte es nur bei Videospielen funktionieren, dass man das sogenannte User Engagement mit Belohnungs- und Bestrafungsmechanismen bestückt? Hier haben wir mit einem Forschungsteam der Uni Köln einen Prototyp eines Spiels erarbeitet, das – ohne einen aufdringlich mit Regulatorikfragen zu löchern – einen sehr kurzweiligen, spielerischen Kategorisierungsprozess durchläuft, durch den man – ohne es wirklich gemerkt zu haben – ein psychologisches Risiko-Verhaltensprofil als „Fingerabdruck“ hinterlassen hat.
Das sind erste Schritte in eine Richtung, die wir als Trend betrachten. Aber auch dieser Trend muss am Ende der vorherrschenden Regulatorik standhalten. Wie bei unserem Holo-Banking-Prototyp bleiben wir auch hierbei trotzdem forschend dran, da wir es spannend finden.
Kaum eine andere Branche hat in den letzten 20 Jahren so prosperiert wie die Games-Branche. Immer wieder gab es Versuche anderer Branchen, sich diese Beliebtheit zunutze zu machen und irgendwie eine Verbindung herzustellen. Aber viele Projekte scheiterten und stifteten keinen Nutzen für den End-User. So blieben sie dann doch stecken und brachten den Initiatoren maximal einen kurzfristigen PR-Effekt und Imagegewinn. Ohne nun Ergebnisse Ihrer Studie/Untersuchung vorwegnehmen zu wollen: Gibt es eine Chance, dass es bei der Thematik „Risikoprofilermittlung mithilfe von Games“ anders sein wird?
Wissen Sie, das Thema „Gamification“ brodelt bereits seit mehreren Jahren ziemlich heftig in der Personalwirtschaft – und zwar weltweit! Das menschliche Gehirn ist komplex und bei stupiden Abläufen in Nullkommanix gelangweilt. Man schaltet geistig ab.
Die Industrialisierung von Arbeitsschritten und die dabei eingeführte Funktionstrennung aus den Zeiten Henry Fords bereiten zahlreichen Unternehmen heute Kopfzerbrechen, da sowohl Kunden als auch Mitarbeiter bei den Prozessen aussteigen. Eine Automatisierung und Emotionalisierung von Prozessen durch digitale und insbesondere spielerische Elemente sorgt laut unzähliger wissenschaftlicher Studien für mehr Freude und Satisfaktion entlang der gesamten Prozessstrecke. Man spricht dann schnell von der „Nutzererfahrung“, die immer mehr die Maßgabe für das Design neuer Prozesse ist. Dabei ist der Nutzer sowohl der eigene Kunde als auch der eigene Mitarbeiter.
Das Thema „Gamification in der Risikoprofilierung“ sehen wir weiterhin als wichtiges Vehikel, um komplexe Materie in einfachen, kurzweiligen Erfahrungen, Lernkurven und Belohnungen zu transportieren. Daher wird sich der Regulierer neben so neuen Asset-Klassen wie „Krypto-Token“ auch mit Psychologie auseinandersetzen müssen, um insbesondere Endverbraucher adäquat zu schützen.