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Interview: Fünf Fragen zum digitalen Dokumentenmanagement

Die digitale Transformation bringt in puncto Dokumentenmanagement neue Anforderungen und Möglichkeiten mit sich. Viele Unternehmen verwalten und organisieren ihre Geschäftsdokumente jedoch noch wie im letzten Jahrtausend – mit Papier und Aktenordnern. Dabei ist die Digitalisierung gerade in diesem Bereich existenziell wichtig!

Interessieren Sie sich dafür, wie Digitale Transformation und Kundenorientierung in der Praxis sichergestellt werden können? Dann lesen Sie hierzu Customer Onboarding – Modebegriff oder Königsweg für gelungene digitale Transformation?

Dokumentenmanagement-Expertin Thea Diesner im Interview

Dieses zögerliche Vorgehen ist deshalb verwunderlich, da die Technik heute innovative Ansätze, die vor einigen Jahren noch undenkbar waren oder wie Science Fiction klangen, ermöglicht. Thea Diesner, Consultant bei afb, beantwortete einige Fragen zum Thema digitales Dokumentenmanagement.

In Ihrem Beratungsalltag begegnen Sie vielen Unternehmen, für die die Digitalisierung des Dokumentenmanagements eine große Herausforderung darstellt. Worin bestehen diese Schwierigkeiten?

Die größte Schwierigkeit besteht sicherlich darin, einen Sinneswandel von Unternehmen weg von einer Late-Scan- hin zu einer Early-Scan-Digitalisierung zu vollführen. Bisher werden Dokumente, wie z. B. Antragsformulare, häufig noch vom Kunden oder Vertriebsmitarbeiter am Point of Sale (POS) ausgefüllt, anschließend ausgedruckt und auf dem klassischen Postweg zur Weiterbearbeitung an den Sachbearbeiter im Backoffice eingereicht. Bei vielen Unternehmen erfolgt hier eine Digitalisierung über große Eingangs-Scanstraßen, in denen zahllose Unterlagen ausgepackt, digitalisiert und – oft mehr schlecht als recht – einer Vorgangsakte zugeordnet werden. Die lange Gesamtlaufzeit des Prozesses, bei dem der Scanvorgang erst an einem späten Prozessschritt – daher Late-Scan – erfolgt, ist eine Schwachstelle, die einer zeitnahen Bearbeitung des Kundenantrages entgegensteht. Dies führt zu einer durch Medienbrüche und Verzögerungen gekennzeichneten Customer Journey, die nicht mehr den Kundenerwartungen von heute entspricht.

Im Gegensatz dazu steht die Early-Scan-Digitalisierung. Hier erfolgt der Scanvorgang ganz zu Beginn des Prozesses. Dabei „scannt“ der Kunde oder Vertriebsmitarbeiter das gewünschte Dokument mittels einer speziellen Digitalisierungs-App, etwa z. B. einen Personalausweis, und reicht das fotografierte Dokument digital und ganz ohne Medienbruch beim Finanzdienstleister ein. Eine besondere Innovation sind hier Funktionalitäten, die ein Auslesen der Daten des Ausweisdokumentes ermöglichen, und so ein mühseliges Abtippen durch einen Sachbearbeiter obsolet machen. Außerdem findet eine Plausibilitätsprüfung des Ausweisdokuments statt, mit der eine potentielle Fälschung frühzeitig erkannt wird. Der Sachbearbeiter kann sich somit auf die tatsächliche Bearbeitung des Antrages konzentrieren und diesen ohne Zeitverzögerung sofort bearbeiten.

Digitalisierung Dokumente

Abbildung 1: digitales Dokumentenmanagement – schematische Darstellung


Sie selbst kennen die Nöte und den Bedarf gerade auch von Unternehmen, die sich mit der Finanzierung von Warenströmen (Finanzdienstleister, Hersteller und Handel) beschäftigen. Worin liegt Ihrer Meinung nach der größte Vorteil des digitalen Dokumentenmanagements?

Digitales Dokumentenmanagement spart Kosten: insbesondere für Papier, für Porto, für eine aufwändige Scanstraße, aber auch Kosten für den Lagerraum und Aufbewahrungssysteme, für physische Dokumente und Kosten, die durch falsch zugeordnete Dokumente entstehen.

Aber nicht nur Kosten können durch die Digitalisierung von Dokumenten eingespart werden, sondern vor allem auch Aufwand. Es entfällt z. B die Bearbeitung beim Posteingang, die Vollständigkeitskontrolle durch den Sachbearbeiter und die Nachforderung von fehlenden Dokumenten. Infolgedessen wird die Anzahl unvollständiger Geschäftsvorgänge deutlich verringert.

Die Prozessautomatisierung eines der wesentlichen Elemente und damit auch Dreh- und Angelpunkt bei der Digitalisierung. Was würden Sie Unternehmen empfehlen? Sollten sie besser die Prozesse an das System anpassen oder sollte sich das System an die bestehenden Prozesse im Unternehmen anpassen?

Digitalisierung allein macht aus einem schlecht aufgesetzten analogen Prozess keinen guten digitalen Prozess. Für Unternehmen ist es wichtig, zuerst die eigenen Prozesse zu verstehen, den digitalen Reifegrad zu ermitteln und so Optimierungspotentiale aufzudecken. Unternehmen erhalten damit einen Rundumblick auf bestehende Prozesse. Mit dieser Basis kann über eine Digitalisierungsstrategie nachgedacht werden, die es ermöglicht, einen perfekten digitalen Prozess aufzusetzen.

Wir stellen bei Unternehmen ein stark ansteigendes Daten- und Dokumentenvolumen mit steigenden Anforderungen an Ablage, Verfügbarkeit sowie Wiederauffindbarkeit und Verarbeitung fest. Ein gutes Dokumenten-Management-System erlaubt es, die richtigen Informationen zur richtigen Zeit, im richtigen Format, in der richtigen Qualität, für den richtigen Adressaten und am richtigen Ort zur Verfügung zu stellen.

Wie sollte die technologische Unterstützung aussehen? D. h. über welche Anforderungen sollten geeignete IT-Systeme verfügen?

Insbesondere Finanzdienstleister arbeiten teilweise mit langgedienten Legacy-Systemen, deren Komplexität in sehr langen Entwicklungszyklen resultiert. Häufig ist nach der finalen Bereitstellung die avisierte Innovation bereits wieder überholt.

Hier kann das Konzept eines Enterprise Service Bus (ESB) als Service-Layer Abhilfe schaffen. Der ESB stellt die von außen aufrufbare Logik, gruppiert nach Services, bereit. Die einzelnen Serviceaufrufe werden im ESB zu Geschäftsprozessen orchestriert, um die Interaktion zwischen zwei oder mehr Systemen abzubilden. So wird sichergestellt, dass eine Entkopplung bzw. eine lose Kopplung der Systeme und eine einfache Austauschbarkeit der Services gewährleistet sind. Zukünftige Erweiterungen der Software und Prozesse zur Integration mit Partnersystemen können über den ESB problemlos stattfinden.

Unterschiedliche Ausbaustufen bieten hierbei verschiedene Komfortgrade ab, die mit der Zuordnung in der Online-Anwendung und Synchronisierung mit Enterprise-Content-Management- (ECM) / Dokumenten-Management-Systemen (DMS) beginnen und über eigens entwickelte Smart-Device-Apps bis zur vollständigen Inhaltsextraktion und automatischen Zuordnung durch intelligente Mustererkennung reichen.

Damit kann ein Dokumentenmanagementsystem heute die Anforderungen verschiedener Eingangskanäle (Direkt-Upload, Digitalisierungs-App, E-Mail, etc.) bedienen, um eine End-to-End Digitalisierung von Dokumenten zu realisieren. Einmal digitalisierte Dokumente werden im Dokumenten-Portal strukturiert verwaltet und können vom Benutzer jederzeit aufgerufen und eingesehen werden.

Was raten Sie Unternehmen, bei denen das digitale Dokumentenmanagement 2018 auf der Agenda steht. Wie sollten diese am besten vorgehen?

Zuerst sollten Unternehmen Ihre Geschäftsprozesse unter den Aspekten, wie z. B. Durchlaufzeit, Automatisierungsgrad, Kundenzufriedenheit und Einhaltung von Compliance-Vorgaben analysieren und untersuchen lassen, um Optimierungspotentiale hinsichtlich Flexibilisierung und Vereinfachung aufzudecken. Im zweiten Schritt steht die Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie, unter Berücksichtigung der Kunden- und Vertriebsstruktur, an. Anschließend sollte die Erstellung von Business Cases und deren Realisierung folgen. Hier bietet sich die Unterstützung von Experten im Rahmen strukturierter Consulting-Projekte an.

Liebe Frau Diesner, wir bedanken uns für das Gespräch.

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Bildquelle: @goodluz / Fotolia

Autor:

Thea Diesner

Professional Consultant, afb Application Services AG