Digitalisierung ist nach wie vor in aller Munde. Es ist keine Option mehr, sondern ein Muss, will man erfolgreich im Markt bestehen. Das Thema durchdringt alle Branchen, Organisationen und Produktangebote und jede Unternehmensleitung hat das Thema auf der Agenda. Im Netz existiert eine Vielzahl an Studien, Analysen, Trendbarometern und ähnlichem. Alle reden von der digitalen Transformation, aber wo fängt man an? Klar, man kann sich an der Praxis, wie z. B. den großen Unternehmen orientieren. Falls Sie sich eine erste Anregung holen möchten, dann finden Sie hier zur Digitalisierung Beispiele weltbekannter Unternehmen. Aber wie setzt man digitale Transformation schrittweise um? Die unternehmensspezifische und zielgerichtete Umsetzung fällt vielen Unternehmen nach wie vor schwer. Auch hier gilt: eine Standortbestimmung, eine klare Sicht auf relevante Aspekte und definierte (Etappen-) Ziele helfen, den richtigen Weg zu finden.
Die zehn wichtigsten Aspekte der digitalen Transformation für 2017
Der erste Schritt sollte sein, Trends und Entwicklungen hinsichtlich der digitalen Transformation mit Relevanz für das eigene unternehmerische Handeln zu analysieren. Die digitale Transformation hat sich vom reinen Hype zum zentralen Element einer modernen Geschäftsstrategie entwickelt. Tradierte Geschäftsmodelle sind zu adjustieren, damit sie zukunftsfähig sind.
Forbes sieht folgende Aspekte der digitalen Transformation als die wichtigsten in 2017 an [1]:
1. Anpassungsfähigkeit
Erfolgreiche Unternehmen passen sich den geänderten Marktanforderungen an. Sie integrieren neue Technologien in ihre Geschäftsprozesse. Jedoch geht es bei der digitalen Transformation nicht nur um die technologische Seite. Es geht vielmehr darum, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die dem Wandel offen gegenübersteht und diesen annimmt. Nur so können Technologie und Fachlichkeit in Organisationen harmonisch zusammenwirken und ihr, teils disruptives, Potenzial vollends entfalten.
2. Customer Experience und User Experience
Das Ziel jeglicher digitalen Transformation sollte die optimale Customer Experience sein. Die Customer Journey beginnt dabei nicht erst mit dem Geschäftsabschluss, sondern bereits mit dem Prozess des Informierens vorab. Es geht darum, den Gesamtprozess lückenlos, intuitiv und reibungslos zu gestalten. Zusehends etabliert sich hierfür das Client Onboarding als griffiges Modell in der Praxis, mit dessen Hilfe Interessenten in zufriedene Kunden transformiert werden. Angesichts einer zunehmend sinkenden Kundentreue gegenüber Marken und Produkten ist jeder einzelne Kunden-Kontaktpunkt umso wichtiger. Unternehmen sollten sich und ihre Angebote attraktiv präsentieren und negative Kundenerlebnisse möglichst vermeiden. Daher sind sämtliche Hürden, wie z. B. Medienbrüche, zu eliminieren, um dem Kunden eine optimale Customer Journey zu bieten – und einen Abschluss zu erzielen.
3. Kurze Innovationszyklen
Der Zyklus von der Idee bis zur Umsetzung wird heutzutage zunehmend kürzer. Die Ideen entspringen nicht mehr nur dem eigenen Erfahrungsschatz, sondern kommen z. B. im Bereich der Finanzdienstleistungen zunehmend über sogenannte FinTechs, die Finanzdienstleistungen und Technologien ausgehend von der Kundensicht neu denken, in den Markt. Proaktives Innovationsmanagement ist daher eines der effektivsten Mittel, um sich am Markt zu behaupten. Je schneller ein Unternehmen Innovationen umsetzt, desto agiler kann es aufkommende Chancen zum eigenen Vorteil nutzen. Je offener eine Unternehmenskultur technologischen Neuerungen gegenübersteht, desto erfolgreicher wird das Unternehmen langfristig sein.
4. Flexibilisierung der Arbeitswelt
Die Arbeitswelt wird flexibler: Junge Arbeitnehmer bevorzugen flexible Gehaltsmodelle, neue Technologien ermöglichen eine überregionale Talentsuche, Homeoffice-Modelle und Collaboration-Tools für virtuelle Teams setzen sich immer mehr durch. Diese Entwicklungen führen zu neuen Formen der Beschäftigung und Zusammenarbeit. Unternehmen können sich diese Entwicklung zu Nutze machen, indem sie für eine bestimmte Aufgabe fallweise, unabhängig von Zeitzonen, die am besten passenden Spezialisten akquirieren. Diese neuen Arbeitswelten ermöglichen eine bedarfsgerechte Skalierung benötigter Kapazitäten, erfordern jedoch andererseits den Aufbau und die Gestaltung neuer (dezentraler) Beschäftigungsmodelle.
5. Virtual und Augmented Reality
Nach dem Erfolg der Augmented Reality App Pokémon Go zeigt sich, dass das Potenzial von Virtual und Augmented Reality-Technologien nicht nur der Welt der Spiele vorbehalten ist, sondern neue Wege in der Kundeninteraktion eröffnet und die Customer Experience auf eine neue Ebene gehoben werden kann. Über verschiedene Branchen hinweg gibt es bereits zahlreiche Einsatzbeispiele: Händler erweitern ihre stationären Showrooms um virtuelle Showrooms, Virtual Reality-Brillen ermöglichen virtuelle Testfahrten im Traumauto, virtuelle Produkt-Konfiguratoren visualisieren das gewünschte Kaufobjekt, durch virtuelle Spaziergänge können Kunden das Produktangebot bereits vor dem eigentlichen Besuch, z. B. eines Möbelhauses, wahrnehmen und virtuelle Kundenberater bieten Unterstützung beim Entscheidungsfindungsprozess.
6. Application Program Interfaces (API)
Die digitale Transformation verlangt Flexibilität und Agilität. Damit die Unternehmen in der Lage sind, ihre (Markt-) Chance zu nutzen, müssen sie unterschiedliche moderne Technologien miteinander verbinden können und in Teilen eine IT der zwei Geschwindigkeiten realisieren: schnell sein im (Kunden-) Frontend, stabil im Kernsystem. APIs ermöglichen die Bildung schneller und flexibler Technologie-Ökosysteme. Lösungen bzw. Business Services unterschiedlicher Anbieter sind an das bestehende Kernsystem anzubinden und so zu einem Gesamtkonstrukt zu verknüpfen, dass eine optimale und nahtlose Customer Experience gelingt.
7. Big Data und Analytics
Dieses Thema erfährt seit Jahren branchenübergreifend hohe Aufmerksamkeit. Daten gibt es in ausreichender Menge, die Kunst besteht darin, diese gewinnbringend zu nutzen. Ein intelligenter Einsatz von Daten ermöglicht Unternehmen, herauszufinden, wie ihre Kunden „ticken“, d. h. was sie sich wünschen und wie sie z. B. Produkte nutzen. Man denke hier beispielhaft an den Automobilbereich. Die Nutzungsdaten, die dem Hersteller übermittelt werden, geben Aufschlüsse über das Fahrverhalten und ermöglichen die Optimierung der Wartungsservices, bieten Cross-Selling-Potenziale oder liefern Erkenntnisse für die Produktentwicklung. Im Zeitalter der digitalen Transformation kann so gut wie alles gemessen werden. Daten und Statistiken, die in früheren Zeiten nicht verfügbar waren, bieten Unternehmen zunehmend mehr Möglichkeiten, wichtige Entscheidungen mit Fakten zu untermauern.
8. Internet der Dinge
Das Internet der Dinge ermöglicht die Kommunikation smarter Geräte untereinander. Dies transformiert sowohl unsere Geschäftswelt als auch unseren Alltag. Im Zeitalter der Industrie 4.0 sind ganze Werkshallen vernetzt. Fertigungsstraßen können auf diese Weise effizient gesteuert und überwacht werden. Unser persönlicher Alltag wird zunehmend von E-Health-Produkten, wie z. B. Fitnessarmbändern, die die erfassten Informationen an Smartphone-Apps weiterleiten, von Smart-Home-Anwendungen oder vernetzten Autos durchdrungen. Das Internet der Dinge ermöglicht es, die Effizienz von Prozessen zu erhöhen, und liefert zudem unschätzbare Einblicke in das Kundenverhalten. Diese Entwicklung wirkt sich massiv auf alle Lebensbereiche, Branchen und Geschäftsmodelle aus.
9. Intelligente Maschinen und Künstliche Intelligenz
Auch das, was bisher mehr nach Science-Fiction klang, wird zunehmend Realität. Maschinen werden bald in der Lage sein, zu lernen und sich ihrer Umgebung anzupassen. Während lernende Maschinen Routineaufgaben übernehmen, werden auf Künstlicher Intelligenz basierende Systeme mit Menschen zusammenarbeiten und gemeinsam komplexe Probleme lösen. In der Finanzbranche hat das Robo Advisory bereits Einzug gehalten, viele weitere Anwendungen werden folgen und Disruptionen in der heutigen Welt auslösen.
10. Aufbrechen von Silos
Nachdem sich die Rolle des IT-Leiters bereits über die letzten Jahre zum im Vorstand mitbestimmenden CIO deutlich verändert, kennzeichnen neue Stellenbezeichnungen, wie z. B. Chief Digital Officer oder Chief Customer Officer, die stetig zunehmende Bedeutung der digitalen Transformation innerhalb der ganzen Organisation. Die digitale Transformation und die Kundenzentrierung gewinnen nicht nur im Bereich Technologie, sondern bereichsübergreifend an Relevanz. Wo früher Prozesse und Strukturen die Führung übernahmen und die Technologie entsprechend angepasst wurde, hat die Technologie heute eine Schlüsselrolle inne. Das Aufbrechen von Silos erleichtert einerseits die Innovationsbestrebungen und andererseits die ganzheitliche Zusammenarbeit aller Unternehmensbereiche.
Digitale Standortbestimmung: Wo stehe ich?
Für die digitale Transformation ist eine klare Standortbestimmung ein Muss: Nur wer weiß, wo er steht, findet die richtigen Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Digitalisierungsstrategie. Eine Standortbestimmung zum digitalen Reifegrad hilft dabei, wichtige Erkenntnisse über den Status-Quo zu gewinnen und Ansatzpunkte bzw. erste konkrete Maßnahmen einzuleiten.
Auch wenn die komplexen Umfeldfaktoren der digitalen Transformation jeden Marktteilnehmer mehr oder weniger auf die gleiche Weise treffen, so weichen die individuellen Auswirkungen auf die Prozess- und IT-Landschaft zum Teil sehr stark voneinander ab. Jede Ausgangslage ist somit einzigartig und bedarf einer individuellen Herangehensweise.
Praxisbeispiel: Digital Capability Check-Up bei einem internationalen Finanzdienstleister
Ein international tätiger Finanzdienstleister für Kfz-Finanzierungen ersetzte vor Kurzem sein in die Jahre gekommenes Kernbankensystem durch eine moderne, workflowgestützte Applikation. Im Rahmen der Digitalisierungsbemühungen wollte das Unternehmen den digitalen Reifegrad bestimmen lassen und beauftragte deshalb einen Digital Capability Check-Up zur
- Bewertung der Zukunftsfähigkeit des neuen Systems in Bezug auf die digitale Transformation und
- zur Ableitung von Optimierungspotenzialen durch Vergleiche mit Best Practice Beispielen.
Herangehensweise
Um die Ist-Situation zu erfassen, wurde der digitale Reifegrad innerhalb der betroffenen Geschäftsfelder untersucht. Die Prozesse wurden aus End-to-End-Sicht hinsichtlich bestehender Medienbrüche, Durchlaufzeiten, Automatisierungsgrad und Zufriedenheit der Anwender analysiert. Aus organisatorischer Sicht wurden die Prozessketten auf mögliche Redundanzen untersucht und die Kooperationsfähigkeit zwischen den Fach- und IT-Bereichen bewertet. Zur Analyse von Organisation, Prozessen und eingesetzter Technologie kamen bewährte Methoden, Workshops und Anwenderinterviews mit Wissensträgern aus IT und relevanten Fachbereichen zum Einsatz. Konkrete Anwendungsfälle unterstützen die Betrachtung der fachlichen Prozessabläufe und insbesondere auch des Kernbankensystems mit seiner workflowgestützten Benutzerführung.
Die Erkenntnisse wurden in einem Analysedokument festgehalten, wobei die analysierten Prozesse hierarchisch auf folgende Ebenen heruntergebrochen wurden:
- Geschäftsbereiche
- Prozessgruppen
- Teilprozesse
- Geschäftsobjekte
Diese Aufteilung erlaubte eine sehr feingranulare Bewertung der einzelnen Prozessschritte nach vorab definierten Kriterien. Daraus wurde der digitale Reifegrad jedes einzelnen Prozessschritts sowie des gesamten Kernbankensystems ermittelt.
Aufbauend auf den Erkenntnissen aus der Umfeld-Analyse entstand in einem weiteren Schritt eine darauf aufbauende digitale Vision, aus der spezifische Ziele für einzelne Teilprojekte auf der digitalen Roadmap im Sinne einer Routenplanung abgeleitet wurden.
Ergebnisse
Neben dem ermittelten Reifegrad als Maß der Möglichkeit, Geschäftsprozesse digital und ohne Medienbrüche im System abzubilden, wurden Optimierungspotenziale identifiziert und den einzelnen Prozessschritten zugewiesen. Die Optimierungspotenziale wurden hinsichtlich Umsetzbarkeit eingestuft (z. B. Schulungsthemen, Quick-Wins, Projekte etc.) und priorisiert. Zudem wurde zu jedem Potenzial vermerkt, welche Bewertungskriterien (z. B. Automatisierungsgrad, Medienbrüche, Parametrisierung usw.), die zuvor für die Bestimmung des digitalen Reifegrads angewendet wurden, durch die Umsetzung des Potenzials positiv beeinflusst werden. Dies ermöglichte mehrdimensionale Auswertungsmöglichkeiten.
Als Ergebnis des Digital Capability Check-Up erhielt der Finanzdienstleister einen Abschlussbericht mit den detaillierten Analyseergebnissen, den identifizierten Optimierungspotenzialen und konkreten Handlungsempfehlungen zur weiteren Verwendung.
Mehrwert für den Finanzdienstleister
Anhand des strukturierten Digital Capability Check-Up konnte der Finanzdienstleister seine gesteckten Ziele erreichen:
- Standortbestimmung bzw. Transparenz hinsichtlich der digitalen Leistungsfähigkeit des untersuchten Systems und seiner Prozesse
- Aussagekräftiger Vergleich mit Best Practice Beispielen aus der Branche
- Konkrete Ansatzpunkte in Form von Optimierungspotenzialen zur weiteren Verbesserung von System und Prozessen
- Bewertung und Priorisierung von Potenzialen zur Ableitung einer digitalen Roadmap und konkreter nächster Schritte
Es ist fünf vor zwölf, aber noch nicht zu spät
Wer bei der Digitalisierung seines Geschäftsmodells, seines Leistungsangebots und bei der Marktbearbeitung zu zögerlich agiert und strategische Entscheidungen auf die lange Bank schiebt, läuft Gefahr früher oder später von neuen innovativen Playern im Markt verdrängt zu werden. Eine digitale Standortbestimmung liefert eine aussagekräftige Grundlage zur Entwicklung einer ganzheitlichen digitalen Strategie und einer anschließenden Digitalisierungs-Marschroute.
Das afb Market and Innovation Event 2017, welches am 4. Mai 2017 in München stattfindet, wird die digitale Transformation bzw. die Zukunft der Customer Experience thematisieren. Wie können Unternehmen durch die optimale Kombination von Prozessen und modernen, disruptiven Technologien, wie z. B. Augmented Reality, eine neue Ebene der Digitalisierung erschaffen und diese wirkungsvoll umsetzen? Sehen Sie sich Impressionen des afb Market and Innovation Event 2016 an und lassen Sie sich bereits für 2017 vormerken.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Preitsameter