Ein Tag im Leben von Sara
Sara, 24 Jahre alt, verlässt ihre Wohnung in Berlin. Sie geht die 300 Meter zu ihrem Auto, steigt ein und fährt ins Büro. Am Nachmittag trifft sie ihren Kollegen in Hamburg. Auf dem Weg sendet sie ihm ihre neuesten Entwürfe.
Sie besitzt selbst nur einen Laptop und ein Handy, kein Auto, keine Wohnung, kein Büro. Sara hat alles, was sie braucht, nur einen Klick entfernt und möchte keine Sachen besitzen, die an Wert verlieren.
Sie arbeitet zwischen drei Städten und schläft dort in Wohnungen, die sie über AirBnB anmietet. Die einzige fix gemietete Wohnung vermietet sie selbst, wenn sie nicht in der Stadt ist. Sie findet überall einen freien Arbeitstisch über ShareDesk. Von einer Stadt in die andere kommt sie mit BlaBlaCar, innerhalb der Stadt fährt sie mit Uber oder DriveNow. Während sie gerade via Adobes Creative Cloud, Google Drive oder Office 365 arbeitet, kann sie mit Slack die Arbeit mit ihren Kollegen teilen und mit ihnen kommunizieren. Und wenn sie einmal etwas braucht, was sie nicht besitzt, dann leiht sie sich es eben umsonst über Peerby.
Willkommen in der Welt eines Digital Natives und in der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts. Obwohl Sara kaum etwas besitzt, kann sie alles, was sie braucht, leicht über ihr Handy besorgen.
Wie adressiert man die Bedürfnisse eines Digital Natives?
Was bedeutet diese Entwicklung für die Finanzbranche? Inwiefern passen traditionelle Dienstleistungen einer Bank noch zur Shared Economy? Sara braucht keine Finanzierung; sie braucht weder eine Sachversicherung noch einen Leasingvertrag. Man könnte glauben, sie brauche nur ein Girokonto und einige wenige Grundversicherungen – und selbst die werden auch bequem digital angeboten.
Die Art und Weise, wie Digital Natives mit Finanzdienstleistungen umgehen, scheint bedrohlich für traditionelle Banken. Es wird sogar noch bedrohlicher, wenn man berücksichtigt, dass Saras Leben ständig in Bewegung ist und sich verändert. Dies prägt ihre Erwartungen und stärkt ihr Bedürfnis nach Benutzerfreundlichkeit und Flexibilität. Ihre Lebensweise prägt ihren Umgang mit Finanzdienstleistungen.
Neue Chancen
Wenn Sara sich etwas ausleiht oder benützt, schließt sie eine Kurzzeitversicherung ab. Das wenige, was sie spart, investiert sie über die Smartphone App Acorns. Sie stellt sich Budgets zusammen über You Need A Budget. Wenn sie ein Darlehen braucht, verwendet sie Lendico. Um zukünftige Projekte zu finanzieren, startet sie eine Kickstarter-Kampagne. Einen Lieferanten im Ausland bezahlt sie über Transferwise. Vor kurzem fand sie heraus, dass sie fast alle dieser Services über eine einzige Smartphone App beziehen kann, angeboten von der digitalen Bank N26. Wo aber bleiben herkömmliche Banken in dieser Geschichte?
Ja, es gibt schnellwachsende und innovative Geschäftsmodelle, die den traditionellen Banken Marktanteile streitig machen. Und ja, das Verhalten von Digital Natives scheint bedrohlich, muss es aber nicht sein. Der neue Umgang mit Finanzdienstleistungen eröffnet auch große Chancen für Banken. Aber wie?
Wie können Banken neue Geschäftsmodelle entwickeln?
Um Geschäftsinnovationen zu entwickeln, die Bedrohungen in Chancen umwandeln, muss man Geschäftsmodelle ganzheitlich betrachten. Dies beginnt mit einem umfassenden Verständnis über neue und sich verändernde Bedürfnisse, Verhalten und Erwartungen von Kunden. FinTechs sind in der Lage, diese sehr viel schneller und besser zu lösen als die Platzhirsche. Ähnlich wie Digital Natives sind Tech-Start-ups „always in beta“, ständig dabei, sich und ihr Angebot weiter zu entwickeln. Ihre Fähigkeit, schnell auf Veränderungen zu reagieren, scheint in ihren Genen verankert. Durch kurze Zyklen von Tests, Lernen und Verbessern reagieren sie auf neue Gegebenheiten und begeistern ihre Kunden.
Des Weiteren muss man in der Lage sein, die dominante Logik der traditionellen Finanzindustrie zu überwinden. Mit reiner Digitalisierung der existierenden Angebote ist es nicht getan. Banken brauchen völlig neue Wertversprechen und Geschäftsmodelle. Sie müssen die unerfüllten Bedürfnisse der Digital Natives so bedienen, dass es zu ihrem Lifestyle, Werten und Verhalten passt. Die Denkmuster von heute führen nicht zu Geschäftsmodellen für morgen.
Banken brauchen ein systematisches Vorgehen, um Schritt für Schritt Verständnis für ihre Kunden aufzubauen, die dominante Branchenlogik zu überwinden und innovative Ideen zu entwickeln. Das Kundenerlebnis, die situationsgerechte Bedienbarkeit und das Erscheinungsbild sind erfolgsentscheidend. Sie müssen iterativ implementiert, kontinuierlich getestet und verbessert werden, so dass sie auch nach Markteinführung die Kunden immer wieder überraschen und begeistern.
Die Zeit drängt
Vielen Spielern der Finanzbranche ist immer noch nicht bewusst, was auf sie zukommen wird und ihnen fehlt ein Vorgehen, wie sie Bedrohungen in Chancen ummünzen. Sie unterschätzen die Geschwindigkeit und die Wucht der momentanen Veränderungen in Technologie und Gesellschaft. Sie müssen ihre Augen öffnen und anfangen, Bedürfnisse, Verhalten und Erwartungen eines schnell wachsenden Kundensegments zu verstehen: das der Digital Natives.
Lernen Banken und Finanzinstitute nicht sehr schnell, wie man in der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts neuen Wert schaffen und abschöpfen kann, läuft ihr Geschäftsmodell aus. Sie werden dann nicht nur von Wettbewerbern der eigenen Branche überholt, sondern auch von neuen Spielern, den FinTech Start-ups und den Technologieriesen, die ihre ersten Erfahrungen in der Finanzbranche machen.
Wenn Banken konsequent Kundenorientierung und eine systematische Methode zur Geschäftsmodellinnovation kombinieren und auf gutes Design und Technologie setzen, dann winken ihnen Chancen, sich neu zu erfinden und auch in Zukunft eine zentrale Rolle zu spielen.
Unterstützung auf dem Weg in die digitale Zukunft
Die BMI Lab AG, eine Ausgründung des Instituts für Technologiemanagement der Universität St. Gallen, und die afb Application Services AG haben ihre methodischen und fachlichen Kompetenzen gebündelt, um gemeinsam Geschäftsmodelle in der Finanzbranche zu erneuern. Die Methode besteht aus den folgenden Phasen:
- Initiation: Wir bieten eine aktuelle Marktübersicht an und bewerten Ihr heutiges Geschäftsmodell und Ihr Stakeholder Ökosystem.
- Ideation: Unsere Tools helfen Ihnen, innovative Geschäftsmodellideen zu generieren.
- Integration: Die aussichtsreichsten Ideen werden priorisiert und zu einem ersten Geschäftsmodell-Konzept ausformuliert.
- Implementation: Das Geschäftsmodell-Konzept wird im Markt getestet und iterativ verbessert, um die Zeit zur Markteinführung kurz zu halten.
Mit freundlichen Grüßen
Georg von der Ropp und Alexander Vencken