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Bank und FinTechs – im Spannungsfeld zwischen Innovation und Sicherheit?

Früher war alles besser

Banking ist auch nicht mehr das, was es mal war. Es war gemütlich in der beleghaften Welt der Banken-Tower, man konnte sich generationsübergreifend stabiler Kundenbeziehungen sicher sein und richtig Geld wurde auch noch verdient. Und dann wurde alles digital. Und jetzt auch noch mobil im einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum. Parallel zur Pixeldichte der Handy-Displays wuchsen und wachsen die Wünsche und Ansprüche der Kunden an ihre Finanzdienstleister ins Unermessliche.

Oder sind diese Ansprüche nicht vielleicht berechtigt? Hat vielleicht eine ganze Branche ihre Kunden zu lange mit komplizierten Prozessen, Papier-Cloud und PostIdent gequält? Oder hatte die Finanzbranche im Spannungsfeld zwischen regulatorischen Eingriffen, Cybercrime und hastiger Digitalisierung nie eine Chance? Egal ob mit oder ohne Chance – die Banken sollten sie nutzen. Denn Banking wird nie mehr das sein, was es war. Weder inhaltlich, technisch, noch ideologisch.

No Pain, No Gain – Transformation tut weh

Als Einstieg ins Thema müssen wir uns von einigen gemütlichen Paradigmen trennen:

  1. Der Benchmark für unsere Produkte und Dienstleistungen sind „da draußen“ nicht mehr die anderen Banken. Sondern völlig neue digitale Geschäftsmodelle, Streamingdienste, Messenger und eben auch FinTechs. Und Unternehmen wie Facebook, Uber, Airbnb und Amazon.
  2. Aussitzen gilt nicht: Der Markt und seine Technologietreiber drehen sich immer schneller und werden weiter beschleunigen, eine Ruhepause ist nicht in Sicht.
  3. Digitalisierung fängt initial im Kopf statt. uUnd nicht in der IT.
  4. Digitalisierung setzt eine ganzheitliche Veränderung des Unternehmens hinsichtlich Prozessen, Strukturen und Technologien voraus. Weniger geht nicht.

Verstanden. Wir müssen Fahrt aufnehmen. Aber es gibt Hoffnung: Technologie hilft. Moderne Produktionsmethoden helfen. Agilität hilft. Menschen mit dem richtigen Mindset helfen. Und der Markt hilft. Zumindest dann, wenn es die „alten“ Banken schaffen, lieb gewonnene Gewohnheiten aufzubrechen und ein bisschen (oder auch ein bisschen mehr) „Creative Destruction“ zuzulassen.

Innovationszyklen außer Kontrolle

„Creative“ gerne, aber gleich „Destruction“? Und ist wirklich jede revolutionäre P2P-Payment-Plattform (P2PP), die durchs Dorf getrieben wird, gleich die Neuerfindung der Finanzbranche und der Tod der Großbanken? Nichts gegen P2PP übrigens, in vielen Ländern ist der praktische, schnelle Geldaustausch schon wieder ein alter Hut und als tägliche Zahlungsmethode etabliert. Und ein interessantes Beispiel für einen der heißesten Trends im Finanzmarkt. Es gibt die Großen (PayPal), die Neuen (Cookies), die nicht ganz so Neuen (Cringle) und alle streiten sich um einen Kuchen, den es – derzeit – noch nicht gibt.

Einer Realität müssen wir uns in diesem Kontext allerdings stellen: Standard-Banking per se ist weder sexy noch etwas, das sich im Lifestyle-Kontext abhandeln lässt. Die Stromrechnung ist eine Stromrechnung ist eine Stromrechnung. Und die muss halt bezahlt werden. Und daran ändern –  zumindest auf den ersten Blick – auch fantastische Apps und innovative Services nichts. Bei näherem Hinsehen eröffnen sich in diesem Bereich aber sehr wohl völlig neue Möglichkeiten für die Gestaltung von Kundenbeziehungen und die Implementierung der Markenwerte ganz nah am Produkt und vor allem am Alltag des Kunden.

Das Spannungsfeld Innovation vs. Sicherheit

Sicherheit ist die hässliche Schwester der Innovation (oder der hässliche Bruder, je nach Sichtweise). Mit der schönen Schwester schmücken wir uns gerne, gewinnen Preise und stehen allgemein super da. Die Hässliche rächt sich bei Missachtung fürchterlich und relativiert oder verhindert dann alle Innovation – ein klassisches Dilemma. Und wahrscheinlich auch noch eine Schlacht, die pauschal nicht zu gewinnen ist. Trotzdem gibt es auch hier Hoffnung: Die Finanzbranche hat Zugang zu extrem viel Know-how und Erfahrung. Und die Sensibilität zum Thema „Sicherheit“ schon tief in den Genen, wenn auch nicht unbedingt in Bezug auf die technologisch getriebenen aktuellen Risikoszenarien. Wenn es jetzt gelingt, diese Assets auch in die neuen, schlanken Produktionsprozesse zu integrieren und die Innovationsgeschwindigkeit des Marktes mit seinen Technologien mitzugehen, haben wir gute Karten.

Best of both worlds: banks + fintechs

„Banken sind tot“ oder „FinTech-Blase“ – wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Auf jeden Fall ergibt sich eine historische Chance: Die Finanzbranche kann sich jetzt mit der Innovationskraft und Kreativität der FinTechs und den Ressourcen, der Erfahrung und den starken Marken der „alten“ Banken komplett neu erfinden und eine schlagkräftige Allianz bilden, die „Customer Centricity“ lebt und auf diesem Weg völlig neue und nachhaltige Geschäftsmodelle am Markt etabliert – mit dem Kunden als echtem Gewinner. Und das klingt wie ein Plan und eine echte Mission – es bleibt spannend!

Mit freundlichen Grüßen
Florian Bliesch

Hinweis: Florian Bliesch war ein Speaker des afb Market and Innovation Event 2016, das am 10. Mai 2016 unter dem Motto Digitopia – Aufbruch in neue Arbeitswelten“ stattfand.

ING-DiBa AG, Florian Bliesch

Autor:

Florian Bliesch

Head of Mobile, ING DiBa AG